Samstag, 4. Oktober 2008

"Wo sind die 68er der DDR?"von Horst von Butler


Zitat "Lafontaine und die Linke verbreiten Unwahrheiten, brechen Tabus und und deuten DDR-Geschichte um. Sie besetzen Terrain - dass ihnen aus Machtkalkül kampflos überlassen wird. Es ist Zeit für den Gegenschlag.

Vor seiner Zeit als Politiker hat Oskar Lafontaine einige Jahre als Hilfskoch in einem texanischen Schnellrestaurant gearbeitet. Ausgebeutet in Amerika. Daher sein Hass auf den Kapitalismus.

Ich kann diese Behauptung zwar nicht belegen, und im Grunde stimmt sie auch gar nicht. Dennoch werde ich sie beizeiten wiederholen, denn Lügen - das lernen wir erneut in diesen Tagen - sind nur eine Frage der Hartnäckigkeit. Schon George Orwell hat eindrucksvoll vorgeführt, dass Behauptungen nur beharrlich genug wiederholt werden müssen, damit sie wahr werden. Das gilt sogar für die Rechnung 2 + 2 = 5.

Doch bleiben wir bei der Politik: Es gibt derzeit wohl kaum einen Politiker, der so dreist, ungestraft und erfolgreich Unwahrheiten verbreiten kann wie Oskar Lafontaine. Seit Wochen reckt er seinen Hals in Talkshowrunden und erzählt, dass Angela Merkel in Moskau studiert habe. Die Stoßrichtung ist klar: Merkel gleich Moskau gleich Kommunistin gleich liebe Linkspartei.

Perfider Trick

Zuletzt hat Lafontaine den Unsinn bei "Hart aber fair" erzählt, wo nach der Sendung bekanntlich ein Faktencheck gemacht wird. Das Team von Frank Plasberg hat doppelt und dreifach gecheckt: Es ist eine Lüge.

Doch Lafontaine fährt unbeirrt fort und wendet einen perfiden Trick an: Es ist so lange wahr, bis die Betroffene (in diesem Fall Merkel) das Gegenteil beweist.

All das wäre nur eine Posse oder ein kurioser Feldzug eines kühn kalkulierenden Demagogen, wenn es nicht ein Symptom von etwas viel Gefährlicherem wäre: Es ist eine Strategie, mit der Terrain gewonnen wird. Denn darum geht es: um Deutungshoheit über DDR-Geschichte, Relativierung von Verbrechen, Enttabuisierung.

Deshalb schreibt Lafontaine Biografien um, wirft die Frage auf, Schaeffler zu enteignen, stellt die Zwangsvereinigung von SPD und KPD als Liebesheirat dar und hofiert kolumbianische Terroristen. Deshalb leugnen PDS-Politiker ihre Stasiverbindungen, bis sie verblassen, und skizzieren die DDR als etwas schlecht organisiertes, aber im Grunde doch lieb gemeintes soziales Wohnheim. Deshalb verhöhnen ehemalige Stasioffiziere Zeitzeugen und Opfer der DDR.

Die Opfer stören

Henryk M. Broder hat in seiner "Kritik der reinen Toleranz" in anderem Zusammenhang das Problem so formuliert: "Anders als in einem Physiklabor gibt es in der Gesellschaft kein Vakuum. Wenn eine Seite zurückweicht, rückt die andere vor und besetzt den frei gewordenen Raum." Nirgendwo hat sich die Raumgewinnung erschreckender und realer manifestiert als in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, dem Ort der Stasiverbrechen, wo vor zwei Jahren 200 Militärs und Stasikader Regimeopfer niederbrüllten. Die Lüge ist auch eine Frage der Lautstärke.

Oskar Lafontaine, der vor seiner Zeit als Politiker einige Jahre als Hilfskoch in einem texanischen Schnellrestaurant gearbeitet hat, benutzt bei seinen Eroberungen eine rhetorische Figur - auch in der Causa Schaeffler: "Wir sind der und der Meinung. Man kann da natürlich anderer Meinung sein."

Seine Meinung ist sein gutes Recht, das Problem ist nur: Es gibt derzeit niemanden, der die "andere Meinung" ebenso klar, nachhaltig und unverfroren artikuliert. (Der letzte, der es schaffte, Lafontaine zu filetieren, war Friedrich Merz.) Lafontaine und die Linke können fast ungehindert vorstoßen, Widerspruch gibt es vielleicht im "Bayernkurier" oder von DDR-Bürgerrechtlern.

Aber die scheinen ja ohnehin inzwischen viele eher zu stören: Immer diese Foltergeschichten und Mauertoten-Mantras - wer will das noch hören? Man will 2009, im großen Wahljahr, 20 Jahre nach Mauerfall, schließlich Zukunft planen und nicht Vergangenheit bewältigen. Koalition statt Konfrontation, darum geht es. Überspitzt gesagt: Die DDR-Täter werden in Deutschland noch gebraucht.

",Es war nicht alles schlecht‘ stand am Anfang der Verklärung der DDR", sagt die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld. Der Kampf um die Deutungshoheit habe 1994 nach der Tolerierung der SPD durch die PDS in Sachsen-Anhalt begonnen. Heute erscheine die DDR vielen als "Sozialparadies", eine Verklärung, die inzwischen auch gezielt wissenschaftlich untermauert werde.

Das wäre für die Linke die ideale Reduzierung: Die DDR, ein Staat voller Kinderkrippen und Ampelmännchen, voller "Lebensleistungen" und privater Idylle.

Das Problem beschränkt sich nicht auf die DDR-Vergangenheit. Seit vielen Jahren wird mit dieser Strategie auch Sozialpolitik gemacht - und der Rest der Parteien genüsslich vor sich hergetrieben. Auch hier geht es nicht um die Richtigkeit, sondern die Beharrlichkeit: Man muss nur lange genug erzählen, dass Besserverdiener keine Steuern zahlen, dann stimmt es irgendwann. (Okay, noch mal für alle: Das oberste Viertel der Steuerzahler zahlt laut Statistischem Bundesamt 80 Prozent der Einkommensteuer; 8,2 Prozent, die mehr als 66.200 Euro verdienen, die Hälfte; die 9688 Euro-Millionäre mit Durchschnittseinkünften von 2,7 Mio. Euro zahlen im Schnitt 968.000 Euro. )

Eine Lieblingszahl Lafontaines, der vor seiner Zeit als Politiker einige Jahre als Hilfskoch in einem texanischen Schnellrestaurant gearbeitet hat, ist die Steuer- und Abgabenquote - sie liege, sagt er, im Schnitt in allen EU-Staaten fünf Prozentpunkte über der in Deutschland. Die Lösung ist also simpel: Einfach wie ein DJ den Abgabenregler um fünf Punkte hochziehen, macht 120 Mrd. Euro, Deutschland ist gerettet. Wenn das so ist, sollte man ihn nicht gleich um 10 oder 15 Punkte hochziehen? Dann hätten wir 240 Mrd. Euro oder 360 Mrd. Euro - mehr als einen Bundeshaushalt noch mal obendrauf!

Es geht auch umgekehrt: Würden wir den Hartz-IV-Satz nur um 20 Euro senken, könnten wir auf einen Schlag 50 Mrd. Euro in Schulen und Universitäten stecken. Der Satz läge damit immer noch an der Spitze der OECD. Stimmt das? Keine Ahnung. Sag ich trotzdem. Jetzt bin ich am DJ-Pult.

Lafontaine ist weiß Gott nicht der einzige Politiker, der lügt und falsche Zahlen in die Welt setzt. Er betreibt es bloß in einem beunruhigenden Ausmaß und mit einer unverschämten Intensität - und er gewinnt damit seit Jahren Terrain und Stimmen. Reiche zahlen keine Steuern. 2 + 2 = 5.

Das wird dazu führen, dass wir in Deutschland schon bald - im Wahljahr 2009, 20 Jahre nach dem Mauerfall - ganz ungeniert und locker einmal wieder über die Eigentumsfrage diskutieren, die Systemfrage stellen und endlich klären können, wie gut oder schlecht die DDR wirklich war. Wir werden bei "Anne Will" sozialistische Experimente erörtern, die in allen Kulturen und Erdteilen die gleichen unmenschlichen Herrschaftsformen herausgebildet, das Land ruiniert und Millionen umgebracht haben. (Ein Physiker würde sagen: Versuchsreihe dringend abbrechen.)

Wobei die Linke beharrlich so tut, als habe sie damit nichts zu tun: Das war doch alles Staatssozialismus!, bekunden die Heerscharen der Antistalinisten. Wir wollen den richtigen Sozialismus! Es klingt ein wenig wie ein Bäcker, der ständig Brötchen anbrennen lässt und sagt: Das war der Ofen.

Um das Szenario zu verhindern, brauchen wir für 2009 etwas ganz anderes: Statt Koalitionsverhandlungen muss der Kampf um die Deutung der DDR wieder aufgenommen - und gegen die Linke geführt werden.

Wir brauchen die "68er der DDR", eine Generation oder Gruppe, die Fragen stellt und die Täter herausfordert.

Wir brauchen eine Kultur der Erinnerung, die Tabus festschreibt, ohne Ost und West zu spalten. Wenn etwas getrennt werden muss, dann die Lebensleistung der normalen DDR-Bürger von den Lebenslügen der DDR-Kader.

Wir brauchen eine Kultur der Ächtung für DDR-Geschichtsverzerrung. (Jeder kleine Hitler-Vergleich wird schlimmer geahndet.)

Wir brauchen sogar einen Guido Knopp der DDR, der die Geschichte massentauglich und in allen Facetten verbreitet.

Ach ja, und die Union braucht einen Friedrich Merz, der jemanden wie Lafontaine filetieren kann. Wissen Sie eigentlich, was Lafontaine vor seiner Zeit als Politiker gemacht hat?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja, fett geil, das mit den Kommentaren und so. Bedenke aber bitte, dass man das, was du schreibst auch falsch verstehen kann.

Schließlich hat nicht der Sozialismus an sich schuld, dass er so oft gescheitert ist, sondern es sind die Menschen, die daran gescheitert sind ihn umzusetzen. Das fehlt mir noch in diesem Eintrag, sont hast du sicherlich recht.

Ach ja... selbst wenn er Lafontaine frittiert hat, ähhh, filetiert, ist Merz trotzdem ein Sackgesicht und er labert auch genau so viel Müll. Nur eben andersrum. Ob das die Lösung ist, bleibt offen.

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