Dienstag, 21. Oktober 2008

"Der Buhmann ist zurück"


Monatelang hat Josef Ackermann an einem besseren Image gefeilt - mit Erfolg. Doch innerhalb weniger Tage ist aus Deutschlands erstem Banker offenbar wieder der Staatsfeind Nr. 1 geworden.
Am Ende, ein kurzer, heftiger Kampf ist vorbei, wird der Ton plötzlich kleinlaut, zaghaft. Und sehr, sehr sperrig: "Im Zusammenhang mit der Kontroverse um die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen durch Banken legt die Deutsche Bank Wert auf die Feststellung, dass sie das betreffende Gesetz der Bundesregierung selbstverständlich unterstützt - unabhängig davon, dass sie selbst kein Kapital vom Staat benötigt." Es ist ein Satz wie ein Bollwerk, ein Satz, hinter dem sich verschanzt wird. Was ist nur passiert?
In diesem Krisenjahr passieren die Dinge in atemberaubendem Tempo. Banken gehen unter, Börsen brechen ein, Geld wird vernichtet. Innerhalb weniger Tage hat auch Josef Ackermann verloren, was er sich über Monate hinweg mühsam aufgebaut hat. Sein Image, seine Rolle, seine Beziehung zu den Deutschen.
Josef Ackermann ist zurück. Als Feindbild und Buhmann. Er wird missverstanden. Er sagt Sätze, die wie Stromschläge durch das Land jagen. Er ist für die Deutschen da, wo er hergekommen ist: zurück auf Victory. Bei ihm heißt das: ganz unten.

Das Drama beginnt mit einer guten Tat. Vergangene Woche hat Deutschland ein Riesenrettungspaket geschnürt. Da schnürt Ackermann noch mit.

Am Freitag kommt das Paket in den Bundestag - mit ihm ein Satz von Ackermann, der erregter debattiert wird als die 500 Mrd. Euro Steuergelder. Der Deutsche-Bank-Chef will auf seinen Bonus verzichten. "Dass der Mann überhaupt glaubt, er hat einen Bonus in diesem Jahr verdient!", geifert Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen. Ein "Ablasshandel", knurrt auch Peter Struck von der SPD.

Während die Linkspartei den Vorschlag ihres irrlichternden Bundespräsidentenkandidaten Peter Sodann erörtert, Ackermann nicht beizeiten mal zu verhaften, legt dieser nach. Er würde sich "schämen", die Hilfe des Staates in Anspruch zu nehmen, zitiert ihn der "Spiegel". Ab dann sind alle Schleusen offen, Politiker poltern und schimpfen, Ackermann scheint kurz davor, für vogelfrei erklärt zu werden.

Am Dienstag dann wird es sperrig. "Ackermann passt in die Rolle des Sündenbocks wie kein anderer", sagt ein Kenner. "Er war in Deutschland schon immer der Hauptverfechter des internationalen Kapitalismus. Jetzt, wo dieser Zyklus zu Ende geht, werden Leute gesucht, die im Büßergewand gehen. Das verweigert er."
Ackermann und die Deutschen, das war immer eine schwierige Beziehung. Er war immer die Figur, an der sich jeder rieb und alles entzündete. Wenn er etwas sagte, erregte sich das Land. Wenn er etwas nicht sagte, auch. Beim Amtsantritt 2002 wird er noch als "Low-Key-Joe" gefeiert, als Mann des Ausgleichs, zurückhaltend und maßvoll.
Er baut die Deutsche Bank um, die Gewinne steigen - doch schon bald überschattet der Mannesmann-Prozess seine Erfolge. Ein kleines Handzeichen Ackermanns vor dem Gerichtssaal, das berühmte "Victory"-V, wird zum Symbol für die Überheblichkeit und Hybris der Manager.

Als maßlos statt maßvoll gilt Ackermann seither, sein Gehalt von zuletzt 14 Mio. Euro wird mit einem Eifer debattiert, als gehe es um Fragen der nationalen Sicherheit. "Ackermann arbeitet immer mit den Symbolen, Gesten und Worten eines Gewinners", sagt die Münchner Wirtschaftssoziologin Andrea Maurer. "Aber manchmal kollidiert diese Sprache mit der Sprache der Gesellschaft."

Zum Auftakt des Mannesmann-Prozesses im Januar 2004 sagt Ackermann den ersten dieser berühmten Sätze, mit denen er die Republik zur Raserei treibt: "Deutschland ist das einzige Land, wo diejenigen, die Erfolg haben und Werte schaffen, deswegen vor Gericht gestellt werden." Knapp drei Jahre später, am 24. November 2006, ist der Prozess vorbei. Ackermann entkommt straffrei, mit einem Deal und einer Geldauflage in Höhe von 3,2 Mio. Euro. Dazwischen liegen: Fehler, Fehltritte, Pannen. Mal wird Ackermann missverstanden, mal verstehen selbst Wohlgesinnte nicht, was den Schweizer reitet. 25 Prozent Eigenkapitalrendite verordnet Ackermann kurz nach Amtsantritt der Deutschen Bank - der Sündenfall, meinen seine Kritiker.

Anfang 2005 verkündet das Institut in einem Atemzug Rekordprofite und die Entlassung von 6400 Mitarbeitern. Im selben Jahr schließt Ackermann ohne Not einen offenen Immobilienfonds und vergrätzt Zehntausende von Anlegern. Dass der Gewinn der Bank zwischen 2002 und 2006 von 400 Mio. auf fast 6 Mrd. Euro hochschießt, wird zur Nebensache.
Erst 2007 gelingt es Ackermann, das Blatt zu wenden. Im Juni holt er einen neuen Kommunikationsberater an Bord: Stefan Baron, den langjährigen Chefredakteur der "Wirtschaftswoche". "Baron arbeitet exklusiv daran, das Image von Ackermann aufzubauen", berichten damals Deutsche-Bank-Manager.

Mit Erfolg. Ackermann startet eine Charmeoffensive. Er tritt bei "Maybrit Illner" auf und erklärt den Deutschen die Finanzkrise, wirbt für mehr Transparenz. Er gibt Lifestyle-Magazinen wie "Park Avenue" und "Zeit Leben" Interviews mit Fotostrecken, die ihn in erster Linie als Menschen zeigen. Und er steht in all den Monaten der Subprime-Krise in engem Kontakt zur Kanzlerin. "Merkel und Ackermann haben einen sehr guten, inhaltlich vertrauensvollen Austausch", sagen damals Wegbegleiter. Ackermann scheint es geschafft zu haben: Mannesmann ist Vergangenheit, Ackermann erster Banker der Republik.
Zweifel oder Kritik an seiner Rolle kann Ackermann oft vergessen machen, etwa bei der Rettung der IKB im Sommer 2007. Während er sich und seine Rolle als Retter der Nation lobt, kritisieren andere seine Haltung. Heinrich Haasis, der Sparkassenpräsident, spottet über den "Ratgeber für Brandschutz", der vorher "ordentlich Brennholz gesammelt hat". Der Vorwurf: Die Deutsche Bank war in das Desaster der IKB verstrickt, hatte etwa den IKB-Fonds Rheinland Funding seit 2002 als Depotbank begleitet.

An Ackermann perlt alles ab. Im Februar dieses Jahres präsentiert er ein Rekordergebnis der Deutschen Bank. Pünktlich zu seinem 60. Geburtstag, den einige Medien mit Glückwunschorgien begleiten.

International wird er schon lange geschätzt, nun wollen plötzlich auch in Deutschland alle ganz nah an ihm dran sein. Veranstaltungsorte platzen aus allen Nähten, wenn der Deutsche-Bank-Chef auftritt, jedes Wort wird aufgesogen. Im Sommer erhält er im zweiten Anlauf die Honorarprofessur der Frankfurter Goethe-Universität. Beim ersten Versuch war der Widerstand gegen ihn noch zu groß. Anfang Oktober, während die Wall Street untergeht, verleiht sein Institut eine große Kunstsammlung an das Städel-Museum in Frankfurt. Ackermann genießt es, er scheint angekommen.
Beim Schnüren des Rettungspakets spielt er noch eine zentrale Rolle - seine jüngsten Äußerungen aber werden ihm plötzlich zum Verhängnis. "Ackermann verhält sich so, wie es im Interesse seines Hauses ist", sagt ein Banker. "Aber er hat ein Kommunikationsproblem."

Schließlich war es der Deutsche-Bank-Chef, der noch Anfang des Monats verlangte, auch Europa müsse Rettungspakete "in der Schublade haben". Er, der jahrelang den harten Wettbewerb gepredigt und sich jegliche Einmischung seitens der Regulierer verbeten hat. "Ackermann repräsentiert ohnehin ein System, das von der Bevölkerung gerade abgelehnt wird", analysiert Maurer. "Und jetzt wehrt dieses System auch noch das Hilfsangebot der Gesellschaft ab. Das verstehen viele nicht."
Ackermann fehle das Fingerspitzengefühl, kritisiert ein Banker. Das Gefühl dafür, dass es dem Normalbürger übel aufstößt, wenn er in Zeiten milliardenschwerer Rettungspakete das Streben nach Rendite preist oder die strikte Deckelung des Gehalts kritisiert. Und so kommt jetzt alles wieder hoch: der Neid auf den Erfolg, die Häme, die Schadenfreude. Und welcher andere Bankchef ist schon prominent genug, um als Blitzableiter herzuhalten?

Wie sehr die Dresche den 60-Jährigen trifft, ist schwer einzuschätzen. Selbst von seinen eigenen Mitarbeitern ist Ackermann stark abgeschirmt, in der Öffentlichkeit lässt er sich in der Regel nichts anmerken. "Das hinterlässt Spuren", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. "Es gibt den Ackermann vor dem Mannesmann-Prozess und den danach." Die Veränderung sei "absolut fühlbar" gewesen.

Nach außen hin gibt Ackermann bis heute am liebsten den unerschütterlichen Repräsentanten des Turbokapitalismus. Nur selten lässt er mal durchblicken, wie wichtig ihm echte Wertschätzung ist.

Wie etwa bei der Bilanzpressekonferenz im Februar. Da erwähnte er fast beiläufig, dass sich einige Menschen nach Jahren plötzlich wieder bei ihm gemeldet hätten. Nun könnte es wieder einsam werden für Josef Ackermann.

Ackermanns berühmte Sätze

"Deutschland ist das einzige Land, wo diejenigen, die Erfolg haben und Werte schaffen, deswegen vor Gericht gestellt werden" Zum Auftakt des Mannesmann-Prozesses, 21. Januar 2004

"Wer sich nicht darauf einstellt, wie die Welt funktioniert, wird niemals erfolgreich sein" Interview mit dem "Manager Magazin", März 2004

"Alle, die mich kennen, wissen, dass ich nicht so bin, wie das oftmals dargestellt wird" Interview mit der "Bild-Zeitung", 21. Januar 2006

"Mir wird langsam Angst um dieses Land." Zur Äußerung des Bundespräsidentschafts-Kandidaten der Linkspartei, Peter Sodann, 19.10.2008

"Ich bin Purist, und ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden" Rede vor Führungskräften der Deutschen Bank, 16. Oktober 2008

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wir reden nochmal drüber, wenn er die Deutsche Bank in Scherben verlassen hat.

Falls das nicht der Fall sein sollte, bin ich Dir n Bier schuldig ;-)

Anonym hat gesagt…

Wirklich ein sehr schönes Portrait vom Herrn Ackermann. Ganz großes Tennis, Dennis.
(haha,Wortspiel!)

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