Freitag, 10. Oktober 2008

"Fleisch ist mein Gemüse"


ch will das nicht. Totes essen. Zerlegtes Tier auf dem Teller haben. Doch ich muss. Nach sieben Jahren Hardcore Vegetarismus sind die Mangelerscheinungen – Frieren, Gliederschmerzen, Konzentrationsstörungen – so groß, dass die Medizinerin sagt: „Friss oder leide.“ Nach all der Zeit, all den Kämpfen um Respekt und Anerkennung für die Entscheidung zur Fleischlosigkeit, dem Aufbegehren gegen untergeschummelte Speckbratereien, den auf ausgekochten Knochen basierenden Suppen. Nach dem häufig gehörten: „Nein, Fleisch ist da nicht drin. Wurst – ist doch kein Fleisch!“, kommt jetzt der Verzehr desselben dem Gefühl gleich, es nicht geschafft zu haben.

Wie zu den Eltern zurückzuziehen. Peinlich, erniedrigend, einfach unglaublich daneben. Um die Schmach im Rahmen zu halten und unter den Bessermenschen, den Mein-Leben-soll-anderenkeine- Belastung-sein-Typen, zu denen ich mich gern zählen möchte, nicht als totaler Verräter dazustehen, gehe ich zum Bioschlachter. Der tötet gleich um die Ecke, ich kann den Tieren zuwinken, bevor ich sie esse. Die Totenschau in seiner Auslage lehrt mich das Gruseln. Rosafarbene Tiere von innen. Ich möchte etwas, das nichts Weißes hat. Und kein Schwein. Also etwas vom Rind, das man kurz in die Pfanne wirft und nicht lange anschauen muss. Der Schlachter, der – und das ist nicht übertrieben – mit seinen runden, rosafarbenen Backen und den Schlitzen, durch die er guckt, aussieht wie ein Schweinchen, empfiehlt ein Hüftsteak . Als Erstes brate ich Unmengen von Zwiebeln. Ich will nicht sehen müssen, was vor Kurzem noch ein richtiges Rind war. Als die Zwiebeln braun zu werden beginnen, lege ich dazu, was meine Freundin als „Fleischlappen“ bezeichnet. Nach kurzer Zeit beginnt es wohlig zu riechen, verbreitet sich der würzige Bratengeruch in der Küche. Auf dem Teller begrabe ich das Tier unter dem Zwiebelberg. Sieben Jahre Verzicht aus ideologischen Gründen. Sieben Jahre, in denen ich mich besser fühlen konnte als die, die andere aufessen. Sieben Jahre Reinheit. Und nun das. Ich schneide in den Zwiebelberg hinein, das Fleisch ist fast ganz durch, und doch tritt roter Saft aus. „Boah, da kommt ja total viel Blut raus!“, sagt meine Freundin. Sie meint es nicht böse, sie beobachtet nur.

Doch das Fleisch muss jetzt sein. Ein unglaublicher Geschmack macht sich im Mund breit. Einer, der nach mehr verlangt. Der Gier auslöst, der was Animalisches hat. Noch immer decke ich das Elend mit Zwiebeln zu, als könnte ich das Eingeständnis zudecken, wie lecker totes Tier doch ist. Nach außen hin muss ich das auch nicht zugeben, sondern kann so tun, als würde ich aus medizinischer Notwendigkeit heraus handeln. Heimlich freue ich mich jedoch schon auf die Portion nächste Woche. Und zur Wiedergutmachung nehme ich mir vor, nächsten Sonntag an der Weide vorbeizugehen und meinem künftigen Essen zuzuwinken.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich kann Dein Problem nicht verstehen. Ich finds aber witzig, dass in Dir ein "animalisches" Gefühl verborgen ist. Manche Menschen essen Fleisch auch nur einfach.

Vielleicht etwas unbedacht, aber mit pflanzlicher Nahrung wird mitlerweile ebensoviel Unsinn getrieben wie mit Fleisch. Nur das Tiere denken können, und Grünzeug in der Regel nicht. ICh sage das übrigens, während ich eine riesige Frikadelle esse. Hab ich gar nciht so drüber nachgedacht.

äh, Guten Appetit!

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